Heft 1/2017: mobil
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
Donnerstagmorgen. 6:15 Uhr, der Wecker klingelt. Dreimal räkeln im Bett, aufstehen, Sohn wecken. Morgengymnastik, Körperpfl ege. Frühstück. Morgenhektik. Alle müssen los. Schule und Arbeit rufen. Mich ruft der Orientierungsredaktionskreis. 7:20 muss ich auf dem Rad sitzen, dann reicht es gut bis zum Bahnhof. Draußen sieht es nach Regen aus. Sind wirklich alle Fenster zu? Schnell das Gepäck aufs Rad. 7:30 rolle ich los. Muss ich ein wenig mehr Watt auf die Kurbel legen ... 7:55 Ankunft am Bahnhof. Rad im „Fahrradkäfig" verstauen und ab auf den Bahnsteig, auf den der Zug gerade einrollt. Hat noch geklappt, denke ich erleichtert.
Am Bahnsteig sehe ich erste irritierte Gesichter. Mehr zufällig entdecke ich das Laufband mit der Information, dass Zugnummer Soundso, Richtung Nürnberg, Abfahrt 7:59 Uhr Gleis 3, heute leider ausfällt. Stattdessen fährt heute außergewöhnlich ein Ersatzzug die halbe Strecke. Abfahrt 7:59 Uhr, Gleis 3. Was heißt das jetzt? fragen sich alle. Macht es Sinn den Zug zu nehmen. Wird wohl noch eine Durchsage kommen? Kommt nicht! Ein Mensch der nach Ahnung aussieht ist auch nirgends zu entdecken. 7:58 Uhr steigt der Zugbegleiter aus. Strategisch günstig ganz am Anfang des Zuges; optimal weit weg von den Menschen mit fragenden Gesichtern. Eine Frau spurtet los, winkt. Der Schaffner, schon die Pfeife im Mund, wartet. Kurzer Austausch. Sie steigt ein. Alle weiteren Fragenden werten das als gutes Zeichen. Schnell rein in den Zug. Ein Pfiff, die Türen sind zu. Es gibt kein zurück. Im Zug ist es leer. Auch niemand, den man Fragen könnte. Durchsage? Fehlanzeige. Stattdessen am nächsten Bahnhof der Ortsname und dass sich der Ausstieg heute (wie immer) rechts befindet.
Plötzlich, der Schaffner naht. Er bahnt sich seinen Fahrkarten kontrollierenden Weg. Gleich bin ich dran. Doch kurz zuvor, doch noch eine Ansage über Lautsprecher. Nächster Halt, Ausstieg rechts, bitte alle aussteigen, dieser Zug endet dort. Reisende nach Nürnberg haben Anschluss auf Gleis 2, durch die Unterführung. Wann wird vorsichthalber verschwiegen. Alle ahnen: Es wird knapp. Jeder wappnet sich auf seine Art. Schnappt das Gepäck, macht sich laufbereit. Die Älteren atmen schon tief, bevor es losgeht. Adrenalin pur, wie beim Startschuss vor einem wichtigen Rennen. Der Zug hält, alle Energie ist auf laufen gerichtet. Die Tür lässt sich nicht öffnen... Wieder dieser fragend-irritierte Blick in meinem Gesicht und um mich herum. Wird es noch klappen? Dank mehrerer Versuche des jungen Herrn an vorderster Front springt die Tür endlich auf. Alle rennen. Ausgerechnet jetzt reißt der älteren Dame neben mir der Henkel an der Tasche. Sie bleibt stehen, genau vor der Tür. Die Masse droht sie zu zerquetschen. Ich schnappe ihren Koffer. Ein kurzer Blick. Ja, auch Gleis 2. Worte sind nicht nötig. Wir rennen los. Ich spüre ihren schweren Atem in meinem Nacken.
Wir sind oben. Auf Gleis 2. Der Zug steht noch. Immerhin. Jetzt nichts wie rein. Vielleicht wird ja doch noch alles gut? Der Zug nach Nürnberg verhält sich ungewohnt unauffällig. Nicht mal ein Schaffner lässt sich blicken. Dann Nürnberg: Der Zug ist vor der geplanten Zeit des ursprünglichen Zuges da. War alle Aufregung umsonst? Gemütlicher Gang von Gleis 18 auf 6. Dort ist der ICE schon angekündigt. Noch 5 Minuten. Pünktlich zur Abfahrtszeit dann die Durchsage, dass der Zug heute ausnahmsweise auf Gleis 4 startet. Ich begegne wieder der älteren Mitreisenden. Wir lächeln uns an. Von 6 auf 4? Das sind doch Peanuts.
mobil heißt diese Ausgabe der Orientierung. Es geht um Unterwegs-Sein, um Hilfsmittel, um Barrieren, um Inklusion, um Selbständigkeit. Um langsam oder schnell. Und um Paris. Machen Sie sich auf die Reise, bewegen sie sich einmal quer durchs Heft.
Ihr
Martin Herrlich
Editorial und Inhaltsverzeichnsi (PDF-Datei, 109 kb)
Autoren dieser Ausgabe
Barry, Ousman, wohnt in Filderstadt-Plattenhardt bei Stuttgart in einer Wohnung des Ambulant Betreuten Wohnens der Diakonie Stetten. Der 34-Jährige kam als jugendlicher Flüchtling aus Afrika nach Deutschland.
Fabriz, Friedrich, Kehl am Rhein
Fath, Dr. Kirsten, Dozentin an der Fachschule für Sozialwesen der Johannes-Diakonie Mosbach, Magister Artium (M.A.) Sportwissenschaft, Psychologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie und berufsbegleitende Promotion zum Dr. phil. an der Universität Heidelberg.
Feller, Bärbel, Wohnangebote Radeberg, Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg, Kleinwachau, www.kleinwachau.de
Heitmann, Matthias, Pastor/Pfarrer für Seelsorge im Alter im Kirchenkreis Hamburg-Ost, mit 50% im Alten- und Pflegeheim MARTHA-HAUS, zum anderen Seelsorger für Spiritual Care mit Palliativpatienten einer Diakoniestation. matthias.heitmann@Martha-Stiftung.de
Herrlich, Martin, Redaktion Orientierung www.beb-orientierung.de, Evangelische Fachschule für Heilerziehungspflege Schwäbisch Hall, www.hepschule-sha.de
Indlekofer, Marian, M.A. Soziologie, Kreisgeschäftsführer im Sozialverband VdK Bayern, Kreisgeschäftsstelle München www.vdk.de/bayern; www.weg-mit-den-barrieren.de
Kaltarar, Hannah, Empirische Kulturwissenschaftlerin/Rhetorikerin, Pressesprecherin in der Diakonie Stetten e. V., Kommunikation, Spenden und Marketing, www.diakonie-stetten.de
Koch, Dr. Friederike, Referentin der Geschäftsführung, Bethel.regional, Stabsstelle Entwicklung Kommunikation Projekte, Bielefeld, www.bethel.de
Krause, Klaus-Dieter, Mitglied im Beirat der Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung im BeB, Kaiserslautern
Küssner, Ralf, Leitung Stabsstelle QM/Fort- und Weiterbildung, Stiftung Eben-Ezer, Lemgo, www.eben-ezer.de
Löhrke, Enrico, B. IC Sc., Geschäftsführender Gesellschafter inHaus GmbH intelligente Haussysteme, Duisburg, www.inhaus-gmbh.de
Oberdorfer, Martin, Samariterstiftung, Behindertenhilfe Ostalb
Schmutterer, Margit, Leiterin Offene Hilfen, Diakonie Neuendettelsau, Dienste für Menschen mit Behinderung, Offene Hilfen Polsingen, Oettingen, Gunzenhausen, www.diakonieneuendettelsau.de
Teuerle, Silke, Sozialarbeiterin im abW, Koordination Assistenzdienst, Wohnangebote Radeberg, Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg gemeinnützige GmbH, www.kleinwachau.de
Thomas, Petra, Mitglied der Fachkrankenhausleitung, Bethel.regional, Region 8 (Fachkrankenhaus), Bielefeld
Trobisch, Achim, Diakon und Dipl. Sozialpädagoge, Leiter Heilpädagogische Einrichtung, Martinshof Rothenburg Diakoniewerk
Vieler, Christine, Ergotherapeutin, zuständig für Hilfsmittelsupport in den v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Stiftungsbereich Bethel. regional, Bewegungs- und Sporttherapeutischer Dienst/Hilfsmittelsupport, Bielefeld
Autorenverzeichnis und Impressum (PDF-Datei, 87 kb)
Leseproben
Eine Satire? Eine Utopie?
Einmal nach Paris
Achim Trobisch, Martinshof Rothenburg Diakoniewerk
Ralf Küssner, Stiftung Eben-Ezer, Lemgo
Ganz oben in seiner Klientenakte steht: Phan, Tom – doch seine Freunde nennen ihn meistens Tommy. Und mit seinem besten Freund, dem Manfred, teilt er sich ein Zimmer und das Bad. Sein Wunsch: Paris!
Einmal nach Paris
(PDF-Datei, 407 kb)
Reisen mit körperlicher Beeinträchtigung
Keine Reise ohne Probleme!
Klaus-Dieter Krause
Was bedeutet es mit körperlicher Beeinträchtigung unterwegs zu sein? Klaus-Dieter Krause, Mitglied im Beirat der Menschen mit Behinderungen und psychischer Erkrankung im BeB, berichtet von Reise- und Behinderungserfahrungen.
Keine Reise ohne Probleme!
(PDF-Datei, 154 kb)